Meine fremde Wohnung.

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Ich ziehe in eine WG in Berlin. Dort soll ich einer der Zwischenmieter sein, die die ursprüngliche Besetzung aus drei Medizinstudentinnen vertreten. Außer mir wohnt hier demnach vertretungsweise noch eine junge Dame namens Valerie — und ein Italiener. Dessen Name ist meiner Kontakt-Zwischenvermieterin zwar unbekannt, er sei aber ein sehr italienischer Italiener. Und nett, nett sei er natürlich auch.

Beim Einzug bekomme ich von einer freundlichen Nachbarin den Schlüssel ausgehändigt mit dem Hinweis, ich wohnte im 1. Zimmer links. Die Nachbarin kennt zwar den Namen des Italieners auch nicht, aber bestätigt, er sei sehr nett.

Im 1. Zimmer links befinden sich eine Toilette und eine Dusche. Ich werde misstrauisch.

Auf meine Mitbewohnerin Valerie treffe ich schließlich am Abend. Sie bleibt selbst für sechs Wochen und weiß auch nicht so recht, wer wann und in welchem Zimmer wohnt, allerdings habe der sehr nette Italiener, den die Nachbarin gesehen haben will, abgesagt und sei wohl nie hier gewesen. Außerdem, erklärt Valerie, sei im Kühlschrank das Fach, in dem diverse Bierflaschen kalt liegen, reserviert für jemanden, der am Montag vorbeikommen soll. Wer das ist: Man weiß es nicht.

Die Wohnung ist übrigens sehr schön. Ich wohne nicht im Bad. Auch nicht in der Küche (2. Zimmer links), sondern im 3. Zimmer links. Und aus der heutigen Erfahrung, einen gefüllten IKEA-Rollcontainer allein durch ein Treppenhaus zu wuchten, habe ich gelernt:

Wenn man in den fünften Stock zieht, gibt es nur eine Regel:
Ziehe nicht in den fünften Stock.

Ich gehe nach Berlin.

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Mein Zimmer in Bonn ist leer, und der Skoda meiner Eltern ist schaumol-voll. Das ist noch etwas voller als voll. Derart beladen machen wir uns auf den Weg aus meiner alten Südstadt ins neue Berlin. Fünf Stunden Auto, unterbrochen nur von einer Raststätte irgendwo auf der Strecke zwischen Bonn und Wedding. Gemeinsam mit meinem Vater sitze ich auf zweckmäßiger Bestuhlung und trinke Kaffee für 3,20 Euro. Die einstige innerdeutsche Grenze haben wir bereits hinter uns.

Mein Papa packt Geschichten aus. Unterschiede Ossis-Wessis. Im letzten Urlaub an der Ostsee, erzählt er, sei er mit meiner Mutter aus Platzgründen zum Sonnenbaden an den FKK-Strand ausgewichen. Dazu hätten die Leute hier ja eine andere Beziehung.

Ich freue mich sehr über die zweitägige Vater-Sohn-Reise. Und habe bloß ein bisschen Angst, dass nun ein Gast der Raststätte sich die Kleider vom Leib reißt und frei-schwingend zu seinem Auto rennt. Es passiert: nichts.

photo credit: dawolf- cc

Alles muss raus.

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Das ist Bonn. Mein Zimmer mutet derzeit trostlos an, und beinahe fühle ich mich ein bisschen einsam in dem ganzen Chaos. Vor einigen Tagen, als sich noch das im Raum befand, was ich als stilvolle Einrichtung bezeichnen würde, genoss ich zumindest zeitweilig Gesellschaft von Ferdinand.

Ferdinand

Ferdinand

Bei Ferdinand handelt es sich (soweit ich das mit meiner laienhaften biologischen Kenntnis beurteilen kann) um eine Maus. Wir lernen uns eher zufällig kennen, als ich eines Abends gegen 22 Uhr gemütlich auf meinem Bett sitze und Ferdinand nach Hause kommt. Er hat offenbar erst später mit mir gerechnet, jedenfalls starrt er mich etwas überrascht an, und als ich – ebenfalls überrascht – zur Begrüßung auf ihn zugehe, verschwindet er über den Balkon des dritten Stocks.

Meine WG ist begeistert vom neuen Untermieter. Ich bin weniger begeistert, und so ziehe ich unseren Vermieter samt Lebendfalle zu Rate. Beide leisten tadellose Dienste, allerdings lerne ich kurz darauf auf die harte Tour, dass es keine gute Idee ist, morgens im Bademantel eine Maus in der WG-Küche aus einer Lebendfalle in ein größeres Marmeladenglas umfüllen zu wollen. Auf die Nachfrage meiner Mitbewohner, wo Ferdinand denn nun sei, kann ich nach seiner Flucht über den Küchenboden wahrheitsgemäß lediglich mit „weg“ antworten. Glücklicherweise erweist sich die Maus als relativ vergesslich, jedenfalls fällt Ferdinand zwei Tage später auf denselben Trick herein.

Inzwischen haben meine Mitbewohner ihn (ohne Umfüllen) vor der nahen Niederlassung der Telekom ausgesetzt. Das machen unsere Vermieter nach eigenen Angaben immer so.

Arbeitsbeschaffung.

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Die letzten Wochen in Bonn also verbringe ich tagsüber hier: Ein schmuckloser Schreibtisch. Dort sitze ich und mache ein geheimes Praktikum bei T-Systems, einer Tochter der Deutschen Telekom. Geheim nicht deshalb, weil hier irgendwelche besonders geheimen Dinge passieren würden, sondern weil ich zu Beginn einen Wisch unterschrieben habe, in dem steht, ich dürfe niemandem irgendetwas verraten, ohne vorher meinen Vorgesetzten um Erlaubnis zu fragen. Vielleicht laufen hier in Wirklichkeit den ganzen Tag krumme Dinger, und ich darf einfach nicht darüber reden. Ist schon immer so eine Sache mit der Geheimhaltung.

Im Grunde sitze ich hier, weil ich mir dachte, ich möchte nach Abschluss meiner Bachelorarbeit, die irgendwas mit Internet zu tun hatte, einen praktischen Einblick in ein Unternehmen erhalten, das ebenfalls irgendwas mit Internet zu tun hat. Allerdings rumpelt das mit dem Internet bei der Telekom offenbar ein bisschen.

Zwar ist der Konzern gewissermaßen die technische Heimat des Internets in Deutschland, jedoch scheinen die Jungs in Magenta so dermaßen viel Breitband in strukturschwache Regionen zu pressen, dass es drei Wochen dauerte, bis mir jemand funktionierende Technik im Bonner Büro vorbeigebracht hat. Immerhin: Von Anfang an hatte ich ein Telefon.

Angerufen hat mich niemand.