Nicht nur Bonn, auch Berlin hat Schienennetz im Nahverkehr. Der größte Unterschied besteht wohl darin, dass es in Berlin nicht nur an die gute, alte Zeit erinnert, sondern tatsächlich Fahrgäste transportiert.
So am Freitagabend auch mich und beeindruckend viele andere Menschen, darunter drei Halbstarke. Einer von ihnen fährt aus Platzmangel direkt in meiner Achselhöhle und rotzt an jeder Haltestelle aus der Tür.
Gemeinsam planen die drei, gleich für 10 Euro Stoff zu kaufen. Doch haben wohl auch in Berlin freitags um 22 Uhr alle Handarbeitsläden bereits geschlossen, jedenfalls nehmen sie sich vor, sich nur 15 Minuten zu bemühen, und dann weiterzufahren.
Bewundernd betrachte ich die drei so wohl-organisierten Jugendlichen, als sich mein Blick mit einem von ihnen trifft. Im Nu ist die unkomplizierte Zeitspanne vorbei, in der einer von uns beiden wieder hätte weggucken können.
Die Situation eskaliert.
Die Luft knistert und wir fahren gemeinsam zwei Stationen mit der Ringbahn, ohne wegzugucken, während ich versuche, etwas aufzusetzen, was ich für die Andeutung eines verächtlichen Lächelns halte. Er bemüht sich um eine Miene, die er sich als böse vorstellt.
Die anderen Fahrgäste verschwinden langsam aus meiner Wahrnehmung, Raum und Zeit verwischen.
Nach 6 Minuten guckt er weg.
Ich versuche, nicht laut loszujubeln oder ihn anderweitig mit eindeutigen Gesten auf meine Reife, Überlegenheit und Manneskraft hinzuweisen und zu verhöhnen.
Es gelingt bedingt.